08.+09.08.2025 Sinzendorf
Leicht verballert steig ich am Freitag um 10:00 Uhr in die Familienkutsche von Lars,
Jürgen ist auch schon an Bord (zwei alte Herren brauchen schon ihren schnuckeligen Lustknaben), und ab geht’s bei bestem Wetter ins niederbayerische Hinterland. Etwas über zwei Stunden später landen wir dann am Gelände, zack, Pavillon aufgestellt, hui, Zelt steht, erst mal ankommen, hey again VOID.
16:00 DÄÄCHT
Zu den sanften Klängen des Soundchecks aus dem Zelt gegenüber der Hauptbühne (mein Herz macht schon mal einen herzlichen Sprung ob der Klänge des Trommlers), machen sich die Herren der ersten Kapelle bereit, den wilden Reigen einzuleiten. Der Boden vor der Bühne gemahnt an die Niederschläge der letzten Tage. Aber auf Grund der krassen Sonne und der heißen Rhythmen auf der Bühne sind die tiefen Rillen staubtrocken und, wenn dann, nur eine kleine Stolperfalle, die bei diesen übermäßig tanzbaren Punkrockern bald eingeebnet sein wird. Instant füllt sich die Fläche vor der Bühne, als wären die Leute einfach aus dem Himmel gefallen. Mit einer rotzfrechen Attitüde, gefühlt straight out of Liverpool oder so, aber halt voi aus Regensburg, preschen sie ebenso rotzigen Garage-Punkrock aus ihren Instrumenten. Der Sänger thront erhoben über diesem fetzigen Set und führt, einem Dirigenten gleich, das Volk vor ihm.
Die Schose startet also mit einem stark unterhaltsamen Einstieg. Aber, wie erwähnt, im Hinterkopf pocht mein Verlangen auf krassen Sound im Zelt, bei





16:45 PREHISTORIC WARCULT
Diese Dualität beim VOID zwischen Haupt- und Nebenbühne ist halt so krass. Party-Punkrock vs. düster, bedrohlich, unheilvoll und beklemmend von allen Seiten – des könnt Psychosen auslösen.
Und dann bricht es los, dieser ungleiche Krieg zwischen Bühnensound und Verstand. Blackened Death der ultra-derben Sorte. Ab dem ersten Ton purer, animalischer, voll auf die Zwölf-Sound, bei dem der Trommler aufgrund seiner Anschlagrate eine Zeitdilatation
im Zelt auslöst. Man fühlt sich wie an der Grenze des Schwarzschildradius, das Hirn ist schon ins schwarze Loch gezogen, der animalisch-prähistorische Vorsatz noch außerhalb. So, getrieben von reiner Energie und purer Existenz, pulsierend im Beat der Vergängnis, ballern die Osnabrücker Extrem-Musikalisten sich von Song zu Song, ohne Rücksicht, ohne Gnade. Predatorengleich schleicht sich Blastbeat an Break, Blast an Blast, an Blast
und ach ja, derbst groovigen Blast.
Sorry Leute, ich muss mich wirklich jetzt schon der Urgewalt dieser Musik ergeben und
mich diesem seelenstreichelnden, ultra-brutalem Brett an Geschwindigkeit und purer Gewalt ergeben.
Und so ruhen sich die, des Schreibens unfähigen Hände, für den Rest des Sets aus. Ihr wisst, was ihr zu tun habt:
Gebt euch diese Kapelle, wenn Grenzen für euch nur zum Einreißen da sind.




17:15 KLAVO
Zurück zu den ruhigeren Klängen. Und nach dem Ultrabrett grad im Zelt, kommt einem das hier, zwar groovig as fuck und ein hüfttreibendes Riff nach dem anderen, wie super entspannter Fahrstuhlsound vor.
Aber ich brauch wohl eher erst mal einen emotionalen Wechsel, und so kommen immer mehr Exploited-Anleihen bei mir an – ned ganz so Metal, aber heavy genug, um als schon fast Hardcore-Punk durchzugehen.
Dem Ganzen wohnt auch eine gute Kante Garagerock inne. So krachen die Jungs von Song zu Song, knackige Nummern ohne große Verschnaufpausen. Zack-Bumm-Mucke, die in die Beine und den Nacken geht, bis die Luft geschwängert ist von dem Staub, der von den pogenden Menschen in die Höhe getrampelt wird, die sich sichtlich gut unterhalten zeigen.
Menschen, die wie immer hier buntest geartet und durchgemischt sind. Man sieht Klamotten und Konstellationen, die direkt aus dem Katalog für einen Gothic-CSD sein könnten – Menschen, bei denen Individualität und Miteinander die Grundpfeiler für eine gute Zeit sind. Ganz tolle Menschen, die Entspanntesten, die man sich denken kann.
Wieder einmal. Danke dafür an alle Freaks und schrägen Vögel hier, Jahr auf Jahr.







17:45 ARA
Und schon bei den ersten verzerrten Bassklängen merkt man, es gibt gleich wieder einen interessanten Paradigmenwechsel in der Beschallungsausgestaltung. Mit genau der entgegengesetzten Vehemenz zu den Dino-Kämpfern leiten ARA ihr Set ein. Schwerst doomiger Sludge wabert aus den Boxen, aufgefüllt durch die langgezogenen, kehlig und verzerrten Worte des Sängers. Lange stehende Töne mit scharfen und punktgenauen Snareschlägen hängen im Raum, zerren an den Innereien und lassen auch unter extremer Gegenwehr nicht los.
Dann wird das Tempo angezogen, nicht viel, aber genug, um eine so dreckig-rockige Note in
den Gesamtklang zu bringen. Darauf wird Schicht um Schicht Verzerrung, Rückkopplung und stehende Töne gelegt, bis ein befremdlich, erschreckendes, aber doch auch eingängiges Gesamtbild entsteht, dass es einem, abweichend von den hohen Temperaturen, angenehm kühl ums Herz wird.
Depressive Speed-Doom, wenn ich’s mal von meiner emotionalen Wahrnehmung her hier niederschreiben möchte.
Sehr geil, intensiv und eindringlich, in jeder Facette und jedem Ton. Großes Kino in kleinem Rahmen.
Passt wie Arsch auf Eimer, was sich in der Reaktion im Zelt zeigt.




18:45 THE DHARMA CHAIN
Nahtlos geht’s auf der Hauptbühne wieder rund. Der leicht monotone Grundcharakter bleibt, nur die Rohheit und die Agonie wird getauscht gegen Emotionalität der zarten Sorte, mit etwas Weltschmerz abgedeckt.
Ein Berg an Leichtigkeit hält Einzug in das Klangbild, eine klare Ausrichtung hin zu 80er-Wave, gepaart mit Pixies-mäßigem Gitarrenschwirren auf Stonerbass mit laid-back Drums an Schwermutsoße.
Der Punk der Vorgänger auf dieser Bühne, ist von England nach New York gerutscht.
Anleihen von VELVET UNDERGROUND, gejagt durch eine moderne Produktion mit dominantem Bass, überschwemmen den Platz bis zum Einlass, schrauben sich einem mit der ständigen Wiederkehr der Motive ins Rückenmark und Hirn, bis man, in der Gruppe wippend und schunkelnd, eingefangen von dem dichten, aber entspannten Sound, feststellt:
Intensität braucht nicht viel, außer die richtigen Leute, am rechten Platz, mit der passenden Grundstimmung.
Eine Hingabe in Musik, die hier zärtlich aber vehement, ein Band der Emotionen um alle Anwesenden legt.






19:15 WEATHERED CREST
Stakkato-Schrabbelriffs mit Blastbeats geben nun wieder den Ton an. Eiskalt schneidet die Gitarre die Luft in feinste Scheiben, die dann im Backofen der Zeltbühne gegrillt werden, um einem dann mittels Trichter und Holzstab in den Rachen gedrückt zu werden. Das Drum drischt in einem stampfenden Humpa-Beat geradeaus nach vorne. Da wird durchgeschreddert, was nur geht. Von schnell auf schneller, künstlich reingepresste Breakdowns lässt man konsequent weg. Wer braucht schon so einen Schmarrn,
wenn man einfach Vollgas durchbrettern kann.
Die gelegentlich groovigeren Parts sind rar, aber dadurch auch doppelt intensiv. Ein Spannungsbogen von zerreißend bis überdehnt.
Da gibt’s kein entspannt oder locker. Dicht wie eine schottische Nebelbank, nahe an einer Granitwand, wird dann doch eine kurze Phase der Entspannung gegönnt, eine durchaus punkige Black-Metal-Hymne, weit vom Black Metal entfernt. Mitnehmend und einreißend.
Noch eine mitklatschfähige Einleitung, dann wechselt man aber wieder konsequent in die klirrend-sirrende Welt des Post-Black Metal, irrwitzig verstörend wie unterschwellig romantisch auf ’ne S/M-Art.




20:00 CASPAR BRÖTZMANN MASSAKER
Nun zu einem meiner Vorfreude-Highlights für dieses Jahr. Dass ich diese Herren in diesem Leben nochmal ive sehen darf, hätte ich ja auch nicht mehr erwartet.
Kraut-Doom-Rock war immer meine Umschreibung für die. Hier zeigt sich für mich, wie recht ich lag.
Dieser Sound lebt schon schwer von seiner improvisiert anwirkenden Darbietung. Minutenlang monoton stampfende Drums, unterstützt durch einen bluesig-doomigen Bass, ineinander übergleitende Wechsel aus Quietscharien zu Wuchteruptionen mit abruptem Stopp, zum Soundexperiment-Teppich und Klanglandschaften, die aus einer postapokalyptischen Vergangenheit zu uns rufen.
Marschmusik in den Untergang und durch das Fegefeuer wieder hinaus aus dem Tal in die kargen Höhen der Felsen und Steine, die wütend treibend, wieder in einer unaufhaltsamen Gerölllawine, alles mitreißend und abtragend, den Weg ins Tal wählen, in einer Mure zum Erliegen kommen, von Wasser bedeckt, in einer Millionen Jahre andauernden Eiszeit eingeschlossen, durch das Abdriften des Gletschers wieder hinab in ein neu ausgespültes Gebirgstal. Sediment verlierend wird so neuer Boden geschaffen, über Äonen neue Gebirgszüge aufgetürmt, abgetragen, ausgespült und angeschwemmt.
Jo, Kraut-Doom-Rock: epische Songs, sperrig wie ein Bigfoot-Schuhkarton, psychedelisch wie eine Badewanne Psylos und mitreißend wie, ja, wie der obige Gletscher eben.
Ein krasser Kontrast zu dem Geschepper im Zelt oder den punkigen Klängen vorher. Um aus diesem Gebirgszug an Monotonie und Energie wieder zu entkommen, braucht es schon …




21:00 VENATOR
… eine ordentliche Breitseite an Vollgas in die Fresse NWOBHM, wie es sich nach den Vorlagen hier im Zelt auch gehört. Eine musikalische Zeitreise, aus der die Caspars tatsächlich waren, aber hier, zumindest für ihren Sound, fast noch mehr Herzblut und Überzeugung drinne steckt.
Voll im glorreichen Licht der Spandexhosen, Lederarmstulpen, Drachen, Barbaren und oben ohne Jungfrauen, gewappnet mit Schwert, Axt und Trinkhorn gegen Magier, Orks und andere böse Kreaturen – auf dem heiligen Weg des Metal.
Da könnt der geneigte Leser, welcher mich evtl. kennt, glauben, mir rollt’s die Haut am Rücken vom Arsch bis ins Gnack auf und garniert das Ganze mit Salz und Chili. Aber hey, die preschen echt so gut voran, der Spaß auf der Bühne findet vollen Anklang im Publikum,
die Bühnenpräsenz, das Licht, der Sound – halt irgendwie alles wird von den Leuten dankbar aufgesaugt und in körperlichen Reaktionen zurück geschickt. Da will ich kein Spielverderber sein. Rock’n’Roll, Horns up und Meeeeeeeeeeeeeeeetal, Prost.





21:45 MAMMOTH GRINDER
Ein Schriftzug, der aussieht wie aus einem jahrhundertealten, vergessenen Totenkult-Tempel für die düstersten Rituale, die man sich nur denken kann. Mit ebensolchem im Hintergrund bricht auf der Hauptbühne die Hölle los.
Eine brutale Soundwand dreckigstem Sludge, aus dem blutegelverseuchtesten Schlingpflanzen- und Mangroven Sumpf, mit einer wuchtigen Death’n’Roll-Schlagseite, aus einem umgekippten Brackwasser voll toter Tiere und Insektenlarven, metzeln sich die Herren durch ein allesvernichtendes Set.
Angereichert durch eine latente Hardcore-Kante am Schlagzeug und an Versatzstücken auch der Saitenfraktion, die aber auch mal gern Black-Metal-mäßige Attacken einstreuen, ist das echte Gewaltmucke.
Lustig, wenn man im Kontrast dazu dieses ultra lockere Volk auf ihrem kurzzeitigem Freiland betrachtet.
Rau und roh, wie ein Kannibalenstamm, der über einen einsam gelegenen Kindergarten der Oberschicht herfällt, dokumentarisch in HD, aber mit grindhausiger Ästhetik, ungeschnitten und direkt auf die Entweidung und Zubereitung der Babys und Kleinkinder haltend, wird hier das musikalische Pendant dazu abgeliefert.
Knüppelharter Sound auf ultra-friedlichem Grund – so muss das. Zwischendrin gibt’s natürlich auch mal eine Dampfwalze auf (bandtechnisch persönlich gesehen) Halbgas, aber so ein Brecherset wennst ned auch mal auflockerst, würde dann auch fad werde. Hier hält das Spannungs- und Stimmungslevel durchweg.
Durchweg brutal, in allen Facetten, nie öde. Alter, durchweg brutal.








22:45 FULCI
Unendlich fette Drums kündigen beim Soundcheck an, was hier gleich abgeht. Okay, die Solo-Impro vom „Sänger“, der mal gediegen seine Innereien verbal nach außen kotzt, war eigentlich auch schon wegweisend.
Dicht an dicht, das Zelt ist bis in die letzte Pore vollgepfercht, als die Italiener auf die blutrote und von typischen 70er-Synthiklängen beschallte Bühne steigen.
Der Name kommt nicht von ungefähr, sondern von eben selbigem italienischen Filmemacher, der mit Klassikern wie “Geisterstadt der Zombies”, “Ein Zombie hängt am Glockenseil” oder “New York Ripper” (welcher konzeptgebend für die neue Langrille und den Intro-Film) ein klares Zeichen setzt, für den Blümchensex-Gig steht, welcher hier gleich zärtlich knuddeln wird.
Doomig schwer wabert eine Soundwand von der Bühne ins Zelt, bis der brubbelnd walzende Death Metal das Messer in die Fänge nimmt und munter drauflos metzelt. Da sitzt jeder Quietscher an der Gitarre, die Doublebass mäht alles – im gediegenen bis ultraschnellen Geprügel – nieder, was sich nachts allein im Park bewegt.
Mit ganz gemeinen Tempowechseln gespickte Monstersongs walzen aus der PA, glänzen durch Druck und eine einnehmende Brachialität im Midtempo-Bereich, immer an der Kante zum Grind.
Bis zum FOH geht’s ab wie Sau und die Meute liegt in Schichten übereinander, moshend, sich wild im Circle Pit balgend, wie in ’nem Ameisenhaufen treibt hier jeder vom Boden bis zur Decke. Heftig fett wie ein gut geschmierter Diesel wird hier durch ein Set von Brett zu Brett geackert, durch ein Feld von Menschenköpfen, die gnadenlos abrasiert werden.
Noch nie hat man Pazifisten glücklicher Gemetzel genießen sehen.



23:30 SLOW CRUSH
Zum Abschluss des ersten Tages wechselt der Sound auf der Hauptbühne wieder in psychedelisch-doomige Gefilde mit druckvoll wummernden, bösen und lang klingenden Dampfer-Melodien an der Gitarre. Einschübe von rockigeren und groovigen Passagen
lockern das gesamte Klangbild erfrischend auf.
Mit dieser beschwingten und tanzbaren Stonervariante lässt sich der ganze Schmerz und die rohe Gewalt der Vorkapellen zwar nicht aus der Erinnerung streichen, aber ein wohltuendes, mit linderndem Balsam bestrichenes Pflaster für die emotionalen Fleischwunden geht schon noch raus.
Die wummernden Bässe finden ihren Weg über den Schall, in den Boden, zu den Körpern der Leute darauf, verbinden alle und alles zu einer Einheit. Wie die Giganten aus Clive Barkers “Agonie der Städte”, ineinander verschlungen im Klang der verspielten Traurigkeit und Bitternis des hier Dargebotenen, welches einen gleichsam aber zärtlich in den Armen wiegt.







TAG II
10:50 DISASSELN
Blackened Death zum Frühstück – das ist schon auch ’ne geile Nummer. So ruppig macht das Aufstehen doch richtig Spaß, will der Körper doch eh schon von ganz allein mit der Mucke mitwackeln. Zum einen, weil das auch noch saugeiler Sound ist, zum anderen, weil halt alles im Umfeld von 5 km bebt.
Das unermüdliche Feiervolk ist natürlich eh schon ab der ersten Note am Start und macht nahtlos da weiter, wo gestern Nacht geendet wurde, wenn sie überhaupt geendet hat.
Freut mich für die Band, die machen ihren Job mehr als anständig, und jeder, der auf TOTENMOND o. ä. steht, sollte hier auf jeden Fall mal ein oder besser beide Ohren riskieren.





11:50 BATSHIT
Das Gaspedal wird nochmal mehr getreten und zackiger Black ’n’ Roll malträtiert die kleine PA auf der Camping-Stage.
Frech und wild, wie ein Rudel junger Wölfe, die sich in Fledermausscheiße wälzen und Spaß haben.
Das macht Laune und hebt unheimlich die Bierstimmung im Publikum. Der dominante Bass und die Humpa-Beats am Drum zaubern magisch unkontrollierbare Zuckungen in die Beine. So schreddern sie von Break zu Break durch ein knackiges Set kurzweiliger Rotz-Rock-Nummern.




12:45 FURIOSA
Der schwarzmetallische Touch wird nun rausgenommen und mit heftig viel gutem Hardcore-Punk aufgefüllt.
So ein Sound in dem Ambiente geht halt voll gut raus. Roh und direkt, mitten in den Leuten, die um Schatten ringend noch näher rücken. Ein paar psychedelisch monotone Parts verleiten zum Mitwippen, bevor in einer Eruption zum Sprung angesetzt wird und auf Grund der simplen Räudigkeit auch auf dieser Bühne mit voller Wucht trifft.
Das geht gut ab und treibt auch die letzten ins Angesicht der Sonne.







13:45 BLASTARD
Ja, was magst du jetzt bei dem Namen schon erwarten? Genau das, was hier geboten wird: Hyperspeed Death Metal.
Oder halt halt Hardcore auf 220 BPM und einer ganzen Kolanuss-Plantage in den Venen.
Die hätten gestern auch gut ins Zelt gepasst, evtl. sogar die anderen (die ja auch schon alle durchweg krass waren) heftigst weggefickt. So krass, dass selbst die PA aufgibt.
Aber das tut der Sache keinen Abbruch – die fleißigen Helfer fixen fix alles, und weiter geht der Reigen.
Und alter, wie aber. Derbster, ultrabrutaler, voll-in-die-Fresse-Crust. Das Vormittagsprogramm ist schon mal voll meins. Ich mags halt extrem. Hier gibt’s die volle Ladung im krassen Drei-Minuten-Happen.



15:00 ASTIO
Die Hauptbühne startet am zweiten Tag ähnlich dem gestrigen Tag. Power Punk Rock mit englischem Einschlag.
Geradlinige Mucke mit einigen verspielten Gitarrenquietschern und -pfeifern (da liebt jemand seinen Flanger am Effektbrett).
Auf große Überraschungen muss man nicht warten, aber die erwartet man hierbei eh ned.
Kurze knackige Punksongs, wie an einer Schnur aufgezogen, klatschen sie einen nach dem anderen raus und heben so die Partystimmung auf ein nettes Level, während sich im Hintergrund aus dem Zelt wieder die ersten Schepperklänge vernehmen lassen.




15:30 Morbide
Umgeben von sakralen Klängen entern die Damen die kleine Zeltbühne, und nach einer Orgie aus Rückkopplungen drückt einem eine heftige Soundwand in den Magen. Los geht die wilde Hatz mit hardcorigen Drums und rotziger Gitarre.
Eine Stimme, die direkt aus der Hölle kommt, wird hier ohne Rücksicht auf Verluste ein Black-’n’-Roll-Bolzen nach dem anderen verschossen.
Die Mädels haben aber auch eine verdammt dreckige Power, die straight aus der PA in den Körper fährt und da trifft, wo’s auch schmerzt.
Zwischen den punkigen Brechern gibt’s immer wieder Rückkopplungen bis zum Hirnerweichen, und das Zelt nebst Boden, Anlage und Menschen droht in seine Bestandteile zu zerbrechen. Nur um dann direkt wieder voll-auf-die-Fresse-Gas zu geben.
Yeah, das ist mal eine Girlband nach meinem Geschmack.






16:00 C.A.M.O.
Frau ist hier auch am Start, mit ein paar Männern im Gespann. Punkig ist es auch, aber weitaus weniger heftig.
Eher Garage-Rock im Sound und Auftreten.
Die punkig-tanzbaren Kapellen tagsüber auf die Hauptbühne zu packen, macht ja durchaus Sinn. Im Zelt würde bei denen zwar auch die Post abgehen, aber in der Sonne auf dem großen Platz hat’s mehr Raum zum Austicken, was hier kollektiv von der gesamten versammelten Mannschaft gemacht wird.
Auf und vor der Bühne. Der Boden ist inzwischen auch ordentlich verdichtet, da kannst du wohl inzwischen ’nen Wohnblock draufstellen, ohne dass was absinkt. Es wird gesprungen, gehüpft und gepogt, als gehöre es zum Wellnessprogramm des Wochenendes.
Nummer um Nummer wird souverän runtergezockt und alles, was geht, ins Set gepresst, um auch wirklich eine Vollbedienung zu gewährleisten.







16:30 S.G.A.T.V.
Noise-Core-Disco-Black-Metal, würd ich jetzt mal so auf den ersten Eindruck hin meinen. Alles ist auf Anschlag verzerrt, die Melodien könnte man auch in einer Pop-Rock-Kapelle finden, halt nur nicht in diesem rabiat-rohen Gesamtsound.
Die Jungs haben sichtlich Spaß an ihrer Panzerbrecher-Mucke, die die schwarze Folie im Zelt flattern lässt.
Tanzbar-rockige Songs mit einer, an alte skandinavische Black-Metal-Kost erinnernden Grundstimmung, scheppern aus den Boxen, bis einem die Ohren klingeln. Zwischenrein gibt’s immer mal blastige Einschübe, die aber recht subtil eingewoben werden.
Als Cover für die nächste Scheibe schlage ich ein klassisches, im Winterwald bei Nacht aufgenommenes Bandbild vor – mit Äxten, Schwertern, Fackeln und Totenköpfen, aber in den Bäumen hängen Discokugeln und Lametta. Funny wie heavy.



17:15 REZN
Sphärisch-mystische Klänge wogen über den Platz, langsam anschwellend, bis sanft die Gitarren sirrend einsetzen und mit einem Mal eine dicke Basswand brummt. Sehr gemütlich, aber knackig im Anschlag, subbt der Sound über die Fläche, entspannt aber unter Spannung.
In einigen Teilen an TOOL erinnernd, verspielt, laid back und psychedelisch.
Das kommt einigen grad sehr gelegen, denn hier gibt’s jetzt keinen fetten Moshpit. Es ist eher Augen schließen und auf den wogenden Basswellen treiben lassen, in einem Ozean, der kein Ufer kennt, in einer anderen Raumzeit als der für uns natürlichen.
So sitzen wir also alle gemeinsam auf einem Floß auf hoher See, die Wolken treiben vorbei und Welle um Welle hebt und senkt sich das führer- und steuerungslose Gebinde. Tragende Töne und langgezogene Noten, unterlegt von einer schwermütigen klaren und recht feinen Stimme.
Ein tolles Wechselspiel aus Gefühl und Druck wird hier souverän abgeliefert.




18:15 KONSTANTIN UNWOHL
Der Junge mit der Gitarre war mal – hier ist es der Junge mit den Synthies, aber Gitarre hat er auch. Jedenfalls wird’s jetzt elektronisch.
Ich nenn’s mal Neue-Deutsche-Welle-Core. Pumpende Basslines stampfen hinter 80er-Synthie-Sounds. Darüber erzählt Herr UNWOHL Geschichten aus 1001 Gefühlswelten, tief bewegend und intim.
Boah, lasst den mal in ’ner dunklen Grufti-Disse aufspielen, die würden austicken. Hier wird, nur ohne den grufti-technischen Pathos, ans Werk gegangen, mehr so Alltagsschnappschüsse à la TOCOTRONIC in dunklem Schwarzweiss.
Im Takt der Bassline schmiegt sich das Volk vor der Bühne, bei 80 Grad im Darkroom um 18:30 Uhr ist Kuschelzeit und Kopfnicken im Festivalzelt angesagt. Des is schon cool, als Runterkommer für den Einklang der Abendaktion.
Tosender Applaus für KONSTANTIN UNWOHL aus tiefstem Herzen, von allen Anwesenden.




19:30 WAYFARER
Mit einer Durchschlagskraft von einem Bulldozer der gegen eine Pappwand brettert, wuchten die smarten Herren in ihr Death-Doom-Set, als Einklang in den heftigen Teil auf der Hauptbühne.
In praller Sonne stehend – des muss grad echt brutal für die sein – drücken sie schwere Riffs aus ihren Instrumenten und werfen sie hart wie Ziegelsteine in die Menge. Diese fängt sie dankbar mit dem Körper ab, übernimmt die Energie und transformiert sie in ekstatisches Gemoshe.
Scharf knirscht der Bass im Zwischenpart, bevor ein hardcore-grooviger Teil ein Inferno heraufbeschwört, das in erkaltende Lava abgleitet.
Ewig stehende Töne über Becken und einzelne wuchtige Tom-Schläge, bis eine Melodie sich immer breiter macht, doomiger Druck den Marsch angibt und im black-metal-artiges Geschredder ausartet, um dann die Fahrt wieder fast auf null zu bringen.
Verschnaufpause mit psychedelischen Anleihen.
Ein echtes Ungetüm von Band, massiv wie Granit, dabei so zart wie Satin.








20:30 INTER ARMA
Uuaahf, wat ein Einstieg. Knackig wie ein fünf Wochen altes Bauernbrot schnalzen die Instrumente und ein Midtempo-Doublebass-Gebolze gibt schwerstmöglichen Death Metal aus den tiefsten Tiefen des gutturalen Stimmbandfriedhofs. Super-tighte Breaks lassen die Nackenmuskulatur immer wieder zum Stocken kommen, während die nächste Dampfwalzen-Attacke schon lauert. In dem Tempobereich so eine fette Nummer
abzuliefern, des is schon echt böse. Die ganze Truppe is auf Laid Back eingestellt, aber dabei haben se wohl voll verbummelt, dass se so dermaßen brutal nach vorn schreiten, wie sie es eben tun.
Da klingt jeder Song wie ein Break in ’nem MORBID-ANGEL-Song, nur auf vier Minuten Länge.
Dann wird das Tempo ordentlich angezogen und, weil’s so schön ist, finden jazzige Schnipsel Einzug, nur um in krasses Geblastbeate zu schwenken.
Das Zelt, natürlich wie bei jedem Act, gerammelt voll, gleicht von hinten einem Meer aus stürmisch aufgepeitschten Wogen, bis man bemerkt:
es sind blau angestrahlte Köpfe, die wie in einer Masse zu dem Spektakel auf der Bühne abbangen.
War auf der Hauptbühne grad noch Brutalität durch Heavyness angesagt, ist es hier reduziert auf sein Primitivstes, aber technisch Anspruchsvolles einfach nur auf’s Maul. Fett.





21:30 PELICAN
Den Namen fand ich schon beim ersten Mal, als ich die hören durfte, recht verwirrend. Fetter Pottwal auf seinem Weg ins arktische Meer, das würd bei dem Sound doch eigentlich viel besser passen. Aus dem Sound suppt jedenfalls so viel Tran wie aus einer ganzen Walherde.
Monströs aufgetürmte Soundwände stürzen auf das Publikum, malmen nieder, was nicht rechtzeitig aus dem Weg geht. Was aber eigentlich auch ned möglich ist. Das ganze VOID-Tal ist im Würgegriff dieses übergroßen Kraken an instrumentalem Stoner Doom.
Die getragenen Passagen entführen in weite Höhen, jenseits der Wolkengrenzen bis an den Rand der Atmosphäre. Höher, weiter hinaus, bis die Gravitation sich entschließt, doch nicht nicht zu sein, und einen im freien Fall auf die Erde zurasen lässt, vorbei an einem Wal, der sich fragt: „Was macht denn der Blumentopf hier? Und was ist eine Blume?“ Booom, Aufschlag.
Von dem Ort des Impakts wird man dann mit einem Schienengefährt abgeholt und mit steigendem Tempo eine holprige Trasse entlang gebraust.
Nicht zu stoppen ist die Maschine, wenn sie Fahrt aufgenommen hat – und das hat sie. So dampft und rattert der Zug durch karge Wüstenlandschaften, steile Gebirgstäler und Höhen, vereiste Waldlandschaften und endlose Küstenlinien.
Instrumentale Mucke im Metal hat für mich normal immer den Beigeschmack, es fehle etwas Emotionales im Gesamtbild. Aber die Herren gleichen das durch Intensität und eine ordentliche Ladung böse bassigen Drucks aus.





22:30 MIDORAN
Als finales Kapitel in der Zeltbühne gibt’s noch etwas jugendlichen Irrsinn.
The new wave of progressive Black Metal. Jungs, die auf Regeln scheißen und wild zusammenmixen, was eigentlich ned passt.
Jeder Black-Metal-Purist müsst jetzt kotzen. Die, die dahinter ned nur platte Attitüde, sondern das „Warum“ im Black Metal sehen, erkennen künstlerische Freiheit, bis es weh tut. Das ist es doch, was es eigentlich schon immer war. Hier durch jugendlichen Leichtsinn und spielerisches Großmeistertum bis an den Rand getrieben. Wild, schön chaotisch wirkend, wird Jazz meets Black Metal zelebriert. Gut, die Kombi ist nun nicht mehr ganz so frisch, aber hier gibt’s noch mehr dazu.
Folk, Reggae, Fusion, Ska, Trip Hop – alles in einen Mixer gepackt, kräftig durchgerührt und als perfekt abgestimmte Mischung in Form gegossen.
Schwer poppige Hooks werden abrupt in einen ruppigen Blast transponiert. Fahrstuhlmusik, zu der Mutti zum Einkaufen geht, findet ihre Harmonie dysharmonisch interpretiert in eine Extrem-Metal-Dauerschleife, die mittels Publikumseinsatz in Anime-Soundgefilde driftet, um dann wieder in Blast Beats mit Sonnenschein-Romantik einzutauschen.
Trompeten hat man bei so einem derben Sound auch eher selten. Hier fügt sie sich so natürlich ein, als wär es die siebte Saite an der Klampfe.
Stellenweise ist der Sound so dicht wie komprimiertes Titan, und nahtlos wird gewechselt in eine Lockerheit wie Krapfenteig.
Ebenso süß wie die Garnitur selbigens wirken die poppigen Parts. Unterlegt von einer Doublebass knallt alles besser.
Leute, hier wird wirklich jegliche Regel im Metalbereich gebrochen – so genial, dass auch wirklich jeder vor Ort entweder baff dasteht, oder voll mit abgeht. Egal, was er auf der Kutte hat. Dem mag ich mich auch ned weiter entziehen und leg den Stift zur Seite, um den Jungs das zu geben, was sie verdienen: volle Aufmerksamkeit. Alter, sind die geil aber auch. Anhören, Befehl.







23:15 IMPERIAL TRIUMPHANT
So, schön aufgepumpt von den Jungs aus dem französischen Musikkonservatorium, hoppel ich zu meinem Vorfreude-Highlight.
Auf die hab ich mich wie seit langem nicht mehr gefreut, weil: ich steh scho arg auf den eigenwilligen experimentellen Death-Post-Black Metal von diesen sympathischen Typen.
Und los geht sie, die wilde Fahrt in die progressiven Gefilde des Extrem-Metals der Amis.
So unverkennbar wie ihre Optik, ist auch der Sound. Dichte, druckvolle Walzen, begleitet von einem rasenden Trommelfeuer, wüten sturmgleich über den Platz. Lassen die Haare, Oberteile und Hosen flattern.
Hier werden Rhythmen und Ansätze von Melodie so übereinander geschichtet und arrangiert, dass das Rückenmark erstmal ans Hirn signalisieren muss, was hier nun in welcher Reihenfolge verarbeitet werden soll, um im Gesamten wieder ein rundes Bild zu ergeben.
So sperrig und kantig mutet jeder Part an. Aber, und das zeichnet IMPERIAL TRIUMPHANT eben aus, es findet von selbst eh so gut zusammen, es ist nur die Panik des Zuhörers, der gegenüber dieser Macht an Irrsinn ins Straucheln gerät, bevor sich der Knoten jedes Mal doch von selbst löst und Songs ergeben, die an graziler Brutalität schwer zu überbieten sind.
Arthouse-Death-Metal von Lars von Trier. Grenzüberschreitend, grenzwertig, Grenzgang und Grenzen auflösend.
Die einzige Grenze bist du – IMPERIAL TRIUMPHANT erhebt sich darüber und grenzt so aus, was eingrenzt.
Schmerzhaft, sperrig und letztlich einfach unbeschreiblich. Also lass ich’s und gönn mir deren Hirnmucke zum Abschluss vom VOID FEST 2025.







VOID, du warst gut zu mir, vielen lieben Dank dafür.

Text: Jochen Dollinger
Fotos: Lars Oeschey

